Hamburgs lässigste Einkaufsstraße….

Hallo Liebe Mieter,
hier ist ein toller Bericht vom Hamburger Abendblatt, über unsere Ladenzeile in der Fruchtallee. Viel Spaß beim Lesen, wünscht Ihnen
Ihr Verwaltungs-Team!

30.01.16
Eimsbüttel Die Fruchtallee ist Hamburgs lässigste Einkaufsstraße
Von Nico Binde

Die beliebte Straße zwischen Heußweg und Emilienstraße ist frei von Filialisten, aber voll von originellen Läden.

Hamburg. Geleckt ist hier exakt gar nichts. Der raue Charme der Ausfallstraße ist nichts für zarte Gemüter, wirkt weder sauber noch einladend. Dafür gräbt sich der Sound des Durchgangsverkehrs angenehm tief in die Magengrube. Eine Schönheit wird die Fruchtallee in diesem Leben nicht mehr. Genau genommen signalisiert die sechsspurige Straße, was eine sechsspurige Straße signalisieren muss: Man kommt schnell hin und schnell wieder weg. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, hier nach einem Einkaufserlebnis zu suchen. Aber genau das bietet die viel befahrene Verkehrsader in Rand-Eimsbüttel – auf spezielle, interessante und verschrobene Art.

Denn langweilig sind besonders die letzten, backsteindominierten 350 Meter der Fruchtallee nicht. Im Gegenteil: Zwischen Emilienstraße und Heußweg hat sich eine seltsam abwechslungsreiche Viertelmeile etabliert. Schräge Nischenläden, die ein bisschen aus der Zeit gefallen scheinen, im Wechsel mit Neueröffnungen wie einem asiatischen Einrichtungsgeschäft. Für diesen wilden Gewerbe-Mix reist das Publikum aus der ganzen Stadt (und darüber hinaus) an. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass es sich hier um ein Refugium für inhabergeführte Spezialläden handelt. Einige Händler stehen sogar im Rang einer Sehenswürdigkeit. Denn wenn man an Hamburgs vielleicht lässigster Shoppingstraße auf eines nicht zu hoffen braucht, dann auf Laufkundschaft. Die flaniert nur 300 Meter weiter über die Osterstraße. Hier, an der Fruchtallee, geht es um Liebhaber und Fans, weniger um Laufkunden.

Das geht schon bei der BVB-Kneipe Dreißig los, ein Stückchen Dortmund in Hamburg – natürlich mit schwarz-gelber Folklore. Und das hört beim Tätowierer, dem Seidenspezialisten, einem Waschmaschinenhöker, der seine Weißware sehr selbstverständlich auf der Straße präsentiert, und der bis oben vollgestopften Stöberkiste, deren Kerngeschäft völlig im Unklaren zu bleiben scheint, noch lange nicht auf. Kita, Bio-Markt, Angelbedarf, Kiosk, Designer, Grillstübchen, Friseur, Fahrradladen – so geht das die ganze Ladenzeile entlang. „Natürlich hätten wir auch Wettbüros oder einen Waschsalon einziehen lassen können“, sagt Simon Brehmer, der mit seinem Bruder Daniel einen Großteil der Immobilien verwaltet. „Aber wir wollten das Besondere, das Spezielle nach Möglichkeit erhalten.“ Die Miete haben die Brüder nach Auskunft der Ladenbetreiber schon länger nicht erhöht – würde auch keiner bezahlen können, denn reich werde dort niemand. Eimsbüttel hin oder her.

Problemlos könnten die Händler der Fruchtallee auch das Klagelied des Ladensterbens, der fehlenden Laufkundschaft und der inhabergeführten Widrigkeiten anstimmen – vor allem nach dem Wegzug von Post und Sparkasse. Macht aber niemand. Jedenfalls nicht so laut. Früher, ja, früher war natürlich auch an der Fruchtallee vieles besser. Aber wo die finanzielle Zugkraft und die Filialisten fehlen, bleibt auch Raum für Biotope wie dieses. An der Ausfallstraße braucht man Einfälle. Oder etwas Besonderes. Oder Durchhaltevermögen. Oder alles auf einmal. Ein paar Beispiele sollen hier deshalb vorgestellt werden. Alle haben eines gemeinsam: Sie sind erfreulich „unhip“.

Home sweet home! So dürften sich Bremer fühlen, wenn sie die Fleischerei von Hans Heinrich Wilkens betreten: Pinkel, Knipp, Grützwurst mit Rosinen – der Mann hat den ganzen heißen Kram von zu Hause. Werder-Fans wollen womöglich umgehend zur Kohlfahrt aufbrechen. Denn hier gibt es die Spezialitäten für Exil-Grün-Weiße, ob sie nun in Hamburg, Norderstedt oder Bad Segeberg wohnen (müssen). Die Leute steuern gezielt den Fleischer aus Kutenholz in der Nähe von Bremervörde an. Und bleiben ihm treu. Im Lauf der Jahre hat sich der 68-Jährige auf nordwestdeutsche Gaumenfreuden spezialisiert.

Eher notgedrungen, weil die Laufkundschaft Mitte der 90er-Jahre ausblieb. „Inzwischen habe ich 80, 90 Prozent Stammkundschaft“, sagt Wilkens. Denn die schätzt den Schnack und die sonst kaum erhältlichen Produkte aus eigener Herstellung. Sein Geheimnis: Er speckt das Sortiment aus Eintöpfen, Bratwürsten oder Filets saisonal ab. Und wirbt damit, wie heute kaum noch jemand wirbt: Mit Edding auf grellen Neonpappschildern. Seine Frikadellen, behaupten Leute, die sich auskennen, sind die besten der Stadt (ein Euro pro Stück), sein Kartoffelsalat stets mit gekochten Eierhälften garniert. Aber Obacht: Wilkens macht das nur noch zwei Jahre, bis er 70 ist. Einen Nachfolger gibt es nicht. Verdammt.

Holzvertäfelte Wände, Räucherwaren im Schaufenster und alte Fischplakate: Beim Interieur wird die mehr als 40-jährige Geschichte des vormals hier ansässigen Fischladens Poppendieck sichtbar. Wichtig war der neuen Inhaberin Meral Cihan, dass es weiter ein Fischgeschäft bleibt, selbst wenn es jetzt Kaan’s Hansefisch heißt. „Und wenn man sich hiermit nicht gerade eine Villa am Stadtrand verdienen möchte, läuft das auch ganz gut“, sagt Tochter Melis. Frische Dorade gibt es eigentlich immer im kleinen Laden, weil die Familie auch einen Großhandel an der Großen Elbstraße betreibt. „Verkaufsschlager sind aber die selbst gemachten Salate mit Krabben oder Flusskrebsschwänzen, der Räucherfisch geht auch ganz ordentlich.“ Gerade die Stammkunden mögen die goldgelbe Fracht, und einige Eimsbütteler, die den jüngst geschlossenen Fischhandel Schlüter vermissen, kommen nun an die Fruchtallee. Viele stationäre Fischgeschäfte gibt es ja nicht mehr. Da bot sich das leere Geschäft an der Fruchtallee als einer der letzten Standorte an, um den Frischeabteilungen im Supermarkt etwas entgegenzusetzen. Eine kleine Auswahl Frischfisch, etwas Wein, ein paar Salate – reicht schon.

Geplant war das alles nicht, jedenfalls nicht so, sagt Lars Herpel, Inhaber der Bar Karussell. Eigentlich hatte er den Kellerladen an der Fruchtallee aus Bequemlichkeit (Stichwort: Wohnortnähe) angemietet, irgendwann aber gedacht: Als Lager eigentlich zu schade. Inzwischen ist die Drei-Zimmer-Bar „verlängertes Wohnzimmer“ der Anwohner mit – passend zur Gegend – speziellem Programm. Ob Ugly-Sweater-Contest, Bingo-Abend, Ausstellung oder Konzert auf der Fensterbank. „Die Leute kommen wegen unserer Besonderheit, nicht weil sie gerade in der Nähe sind“, sagt Herpel. Dabei sei nicht mal das geplant, der Inhaber mache einfach, was ihm selbst gefalle. Der Rest hätte sich entwickelt. Besucher schreiben über das Karussell: „Geile, leicht Berliner Underground Atmosphäre, gepaart mit Supermusik, adäquaten Preisen und wahnsinnig nettem Personal. Ich hoffe, dass es sich rumspricht und der Schuppen aus allen Nähten platzen wird.“ Die Einrichtung mit allerhand altem, aber stilvollem Krempel, rohem Wandanstrich und Bücherregalen gibt der eigentümlichen Mini-Bar den Rest. Läuft, im Karussell.

Jan Kopp: Ein Fotoladen entwickelt sich zum Spezialgeschäft

Er macht das, was nicht mehr viele können: Filme entwickeln. Mit Chemie. Und zwar qualitativ hochwertig. Das habe sich herumgesprochen, ungezählte Filmhüllen im Schaufenster zeugen davon. Auch deshalb ist das Fotolabor Jan Kopp allen ambitionierten Fotografen in Hamburg ein Begriff. Seit 1989 ist das Geschäft, das vorher am gleichen Standort seinem Vater gehörte, seiner Ausrichtung treu geblieben. Zwischenzeitlich war Kopp zudem einer der Ersten, der auf die Digitalisierung mit angemessener Technik reagiert hat. Angefangen hat Kopp, als es noch 17 Labore in Hamburg gab, inzwischen seien sie nur noch zu dritt. „Als Spezialist ist es dabei weniger wichtig, wie standortbezogen man ist. 80 Prozent meiner Kunden kommen gezielt zu mir“, sagt er. Ob es nun um die klassische Entwicklung, einen passenden Rahmen oder ein ausgefallenes Format geht, der Fotofachmann kann fast alles. Insofern bietet die Fruchtallee seiner Nische hervorragende Bedingungen, zumal die Mieten moderat blieben. Wie allen anderen Läden reicht ihm gute Mund-zu-Mund-Propaganda. Die ist so gut, dass Weltfirmen wie Lufthansa oder Mont Blanc zu seinen Stammkunden gehören.

Konditorei Peukert: Rohlingfreie Zone mit Kännchen – auch drinnen

Brötchenrohlinge? Aber nicht doch. Hier wird alles frisch in der angeschlossenen Backstube verrührt, geknetet und gebacken. Die Konditorei Peukert ist der dienstälteste Laden an der oberen Fruchtallee – seit 55 Jahren in Eimsbüttel im Geschäft. „Weil die Leute wissen, dass wir Handgemachtes verkaufen, kommen sie wieder. Die Eimsbütteler kennen uns“, sagt Chefin Carmen Peukert. Und das spreche sich auch andernorts rum. Das Café ist zwar erst kürzlich modernisiert worden, dürfte aber eines der letzten sein, in dem man noch Kännchen bekommt. „Für unsere Stammkunden machen wir alles“, sagt Peukert. Sie möge die Eimsbütteler, „tolle Menschen“, es sei auch Heimatgefühl, was die Konditorei an der Fruchtallee halte. Dabei werde auf den Wohlfühleffekt gesetzt, die Belegschaft arbeitet zum Teil seit mehreren Jahrzehnten hier. Ein Familienbetrieb eben. „Überwiegend schätzen uns Stammkunden aus ganz Hamburg“, sagt die Chefin. „Hier wird mit Freude und Liebe an die Arbeit gegangen.“ Besonderer Verkaufsschlager seien dabei die Torten und Kekse – Klassiker wie Herrentorte, Marzipan-Haselnuss, Käsesahne, Apfelkuchen mit Streuseln und Donauwelle inklusive. Aber auch kleinere Gebäckstückchen, Pralinen und Petit Fours. „Die liefern wir manchmal bis nach Berlin.“

Werner Knüppel: Letze Instanz für Comic-Käufer

Möglicherweise sind es 400.000, vielleicht 500.000 Einzelstücke? Werner Knüppel weiß es doch auch nicht so genau. Auf jeden Fall sind es Massen von Comics, Romanheften, Büchern und Spielzeugfiguren, die sich in seinem Comicladen-Kollektiv bis unter die Decke stapeln. Im Besitz des „Natural-Born-Sammler“ sind unter anderem die deutsche Nummer eins der Micky Maus aus dem Jahr 1951 und die Nummer zwei der Superman-Hefte aus dem Jahr 1950, beide mehrere Tausend Euro wertvoll. Daneben besitzt er die Erstauflage von „Tim & Struppi“ aus dem Jahr 1967 und die erste deutsche „Mad“. Ein ähnliches Angebot an historischen Veröffentlichungen haben nur ein bis zwei andere Läden in ganz Deutschland. Nicht grundlos waren schon Peer Steinbrück und Otto Waalkes im Laden an der Fruchtallee, fliegen Leute extra für Knüppels Sortiment nach Hamburg ein. „80 Prozent sind Stammkunden, ich brauche hier in dieser Lage nicht aufs Spontangeschäft zu setzen“, sagt der 58-Jährige. Ein anderer Standort? „Wäre mir viel zu stressig“, sagt der fünffache Vater. Er wohnt um die Ecke, der Versand seiner Schätze sichert ihm ein einträgliches Geschäft. Es gibt keinen Grund, sich nach mehr Frequenz zu sehnen. Knüppels charmant-verschrobenes Antiquariat ist so speziell und dabei umfangreich, dass der Comic-Experte nicht nur hamburgweit, sondern bundesweit bekannt ist. Seit 23 Jahren betreibt er den Laden nun schon am selben Standort und ist zur festen Größe geworden. Sogar umliegende Lagerräume hat er für seine Zwecke angemietet. Ein Auszug wäre viel zu aufwendig. Deshalb bleibt die Sehenswürdigkeit in Eimsbüttel.